Mein Mann und ich haben seit zwei Jahren Pflegegrad 1. Letztes Jahr bekamen wir einen Treppenlift eingebaut. Ohne den kommen wir beide nicht in das obere Stockwerk, wo sich Bad und Schlafzimmer befinden. Seit kurzem bleibt der Lift immer wieder mal stehen und wir haben schon Angst ihn zu nutzen. Neben der jährlichen Wartung steht nun eine Reparatur an, die bestimmt sehr teuer ist. Wir leben von einer kleinen Rente und haben kaum Rücklagen. Wer bezahlt diese Kosten?
Bärbel und Wilhelm Busch, 81 und 78 Jahre
Darum geht's
Mit zunehmendem Alter haben Stürze häufig dramatische Auswirkungen. Gangunsicherheit, gerade beim Gebrauch von Treppen, schränkt pflegebedürftige Personen in ihrer Selbstständigkeit stark ein. Ein Treppenlift kann Abhilfe schaffen und den Verbleib im eigenen Zuhause ermöglichen. Die Anschaffung eines Treppenlifts wird von der Pflegekasse im Rahmen der sogenannten „Wohnumfeldverbessernden Maßnahmen“ finanziell bezuschusst. Darauf haben Menschen mit anerkanntem Pflegegrad Anspruch. In der Regel verbleibt ein Eigenanteil. Hier stellt sich die Frage, welche Möglichkeiten es gibt den Eigenanteil zu finanzieren, wenn das eigene Einkommen knapp ist.
Rechtliche Grundlagen
Bei anerkannter Pflegebedürftigkeit besteht Anspruch auf Leistungen der Pflegeversicherung. Diese dienen dazu, möglichst lange ein selbstbestimmtes und selbstständiges Leben in der eigenen Häuslichkeit führen zu können (§3 Satz 1 SGB XI). Zu den Leistungen gehören auch sogenannte „Wohnumfeldverbessernde Maßnahmen“ (§ 40 Absatz 4 SGB XI).
Reichen das eigene Einkommen und die Mittel der Pflegekasse nicht zur Deckung von Kosten aus, können pflegebedürftige Personen ab Pflegegrad 1 zusätzlich „Hilfe zur Pflege“ nach dem Zwölften Sozialgesetzbuch beantragen (§ 61 SGB XII). Dies gilt auch für „Wohnumfeldverbessernde Maßnahmen“ (§ 64e SGB XII).
Das sagt der Pflegewegweiser NRW
Sogenannte Wohnumfeldverbessernde Maßnahmen (WUVM) sollen die Pflege erleichtern, eine selbstständigere Lebensführung ermöglichen oder die Aufnahme in ein Pflegeheim verhindern bzw. verzögern. Wenn mindestens eine dieser Voraussetzungen zutrifft, beteiligt sich die Pflegekasse an der Finanzierung solcher Maßnahmen. Ein Treppenlift erfüllt meistens alle drei genannten Voraussetzungen.
Pro Maßnahme ist ein Zuschuss bis zu 4.000 Euro möglich - und zwar für jede pflegebedürftige Person ab Pflegegrad 1. Leben mehrere Personen zusammen, können sie ihre Ansprüche bündeln: Bis zu vier Personen mit Pflegegrad erhalten damit bis zu maximal 16.000 Euro Zuschuss pro Maßnahme (z.B. in einer Pflege-WG).
Ist das eigene Einkommen oder Vermögen (zu) gering, können Kosten für WUVM auch aus Mitteln der Sozialhilfe im Rahmen der Hilfe zur Pflege bewilligt werden. In diesen Fällen ist das Sozialamt der richtige Ansprechpartner.
Für Menschen mit Behinderungen können WUVM über die Eingliederungshilfe finanziert werden. Anträge auf Kosten-Übernahme werden im Rahmen der Eingliederungshilfe dann bearbeitet, wenn damit vorrangig die Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft ermöglicht werden soll. Zuständig für Fälle der Eingliederungshilfe sind die Landschaftsverbände in NRW (LVR, LWL).
+Tipp: Umfassende Beratung zu den verschiedenen Finanzierungsmöglichkeiten und Unterstützung bei der praktischen Umsetzung erhalten Sie in den Wohnberatungsstellen des Landes NRW. Adressen in Ihrer Nähe finden Sie unter Angabe Ihrer Postleitzahl in unserer Pflegedatenbank NRW.
+Tipp: Verändert sich die Pflegesituation (zum Beispiel bei einer Höherstufung des Pflegegrades) und ergibt sich daraus ein neuer Bedarf für eine weitere WUVM, ist ein weiterer Zuschuss für die neue Maßnahme möglich. Jeder Zuschuss, ob Treppenlift oder eine andere WUVM, sollte vorher bei der Pflegekasse beantragt werden und möglichst mit einem Kostenvoranschlag. So kann das Genehmigungsverfahren beschleunigt werden.
Expertenmeinung
Ewa Majdzinska-Otto, Amt für Soziales und Senioren Kempen, Wohnberaterin
Die Anschaffung eines Treppenlifts ist immer eine individuelle Lösung und kostspielig – jeder Treppenlift muss individuelle Hürden in der eigenen Häuslichkeit überwinden. Anschaffungskosten um die 10.000 Euro sind realistisch.
Die Anschaffung eines Treppenlifts im Rahmen der Wohnumfeldverbessernden Maßnahmen (WUVM) wird normalerweise von den Pflegekassen entsprechend bezuschusst. Wartungs- und Reparaturkosten, die darüber hinaus anfallen, sind in der Regel aus eigener Tasche zu finanzieren.
Reichen die eigenen finanziellen Mittel dafür nicht aus, sind die individuellen Verhältnisse anzuschauen:
Sind bei einem Ehepaar beide Personen pflegebedürftig, stehen für die Anschaffung eines Treppenliftes 8.000 Euro für WUVM zur Verfügung. Wurden diese z.B. beim Einbau des Lifters nicht ausgeschöpft, gibt es die Möglichkeit bei der Pflegekasse die Nutzung der Restbeträge der WUVM für die Reparatur zu beantragen. Sind die Beträge bereits ausgeschöpft, übernimmt die Pflegekasse die anfallenden Kosten nicht.
Sind die Leistungen der Pflegeversicherung ausgeschöpft und reichen die eigenen finanziellen Mittel nicht aus, kann auch das Sozialamt unter Umständen einspringen. Voraussetzungen ist hier, dass durch die beantragte Leistung im Einzelfall die häusliche Pflege überhaupt erst ermöglicht, erheblich erleichtert oder eine möglichst selbstständige Lebensführung der pflegebedürftigen Person wiederhergestellt werden kann (§ 64e Nr.2a SGB XII).
+Tipp: Kontaktieren Sie in jedem Fall eine lokale Wohnberatungsstelle. Expert:innen beraten und unterstützen Sie bei:
- der Beantragung von WUVM bei den verschiedenen Kostenträgern
- dem Umgang mit Ablehnung und Widerspruch
- der richtigen Finanzierung
- Ihrem Anspruch auf Beihilfe oder Leistungen zur Teilhabe
- der Prüfung der Möglichkeit einer KfW-Förderung, wenn Sie (noch) nicht pflegebedürftig sind.
Info:
- Grundsätzlich kann eine Maßnahme nur einmal bezuschusst werden. Zu beachten ist, dass „eine Maßnahme“ auch mehrere Einzelposten beinhalten kann. Damit kann „eine Maßnahme“ z.B. einen Umbau eines Badezimmers + Anpassungen in der Küche gemeinsam beinhalten.
- Wenn Sie als Ehepaar bei zwei unterschiedlichen Pflegekassen versichert sind, wird ein Treppenlift in der Regel als eine individuelle Maßnahme gewährt und von jeder Kasse mit jeweils 4.000 Euro bezuschusst.
Weitere Infos
Wohnumfeldverbessernde Maßnahme
Broschüre "Wohnungsanpassung bei Demenz" Hrsg. Kuratorium Deutsche Altershilfe [externer Link]
Verzeichnis der wohnumfeldverbessernden Maßnahmen (GKV Spitzenverband) [externer Link]
Treppenlifte: Tücken teurer Technik (Verbraucherzentrale) [externer Link]
Checkliste Treppenlift (Verbraucherzentrale) [externer Link]
Wohnberatungsstellen bundesweit (Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnraumanpassung e.V.) [externer Link]