Muss mein Vater mit seinen "Dritten" noch zum Zahnarzt?

Mein Vater ist inzwischen pflegebedürftig und trägt eine Prothese. Er hat keine Beschwerden damit. Essen kann er allerdings seit einiger Zeit nicht mehr so gut. Wenn ich nachfrage, heißt es: Das Essen schmeckt nicht oder ist zu hart. Soll ich meinen Vater mal zum Zahnarzt bringen, oder ist das übertrieben? Mein Vater sagt dazu, das wäre doch nicht nötig."

Günther G. aus Dülmen

Darum geht's

Sobald Pflegebedürftigkeit eintritt, bleibt der Zahnarztbesuch oft aus. Das kann verschiedene Gründe haben:

Viele pflegebedürftigen Menschen schaffen es nicht mehr selbstständig in die Zahnarztpraxis – sei es aus Mobilitätsgründen, Überforderung oder weil die Angehörigen bereits stark eingespannt sind.
Manche denken vielleicht auch, der Zahnarztbesuch sei nicht (mehr) nötig, weil die meisten Zähne ja schon ersetzt sind und man keine Schmerzen hat.
Oder es sind doch schon Beschwerden da, werden aber aus Schamgefühl verschwiegen und die Probleme erst einmal heruntergeschluckt.
Vielleicht ist auch der langjährige Zahnarzt mittlerweile in Rente gegangen, weshalb der vertraute Zahnarztbesuch ausbleibt.

Nachgefragt bei...

Dominic Jäger, Zahnarzt und Spezialist für Senioren-Zahnmedizin

Vielfach zeigt sich, dass bei pflegebedürftigen Menschen die zahnärztliche Versorgung häufig abbricht. Die Menschen kommen dann nicht mehr in die Praxis. Wenn sie kommen, ist es meist sehr spät, dann liegen schon starke Schmerzen oder erhebliche Zahn- und Mundprobleme vor.

Dabei ist gerade für ältere und pflegebedürftige Menschen eine regelmäßige Kontrolluntersuchung wichtig – auch bei Prothesen oder anderweitigem Zahnersatz! Druckstellen, schlecht sitzende Prothesen oder Entzündungen im Mund bleiben meist zu lange unbemerkt, weil das Schmerzempfinden im Alter nachlässt.

Die Mundgesundheit spielt im Alter eine entscheidende Rolle auch für die allgemeine Gesundheit und das Wohlbefinden. Wer schmerzfrei essen, sprechen und lächeln kann, bleibt aktiver. Eine schlechte Mundhygiene erhöht nachweislich das Risiko für Entzündungen, Mangelernährung und sogar für Lungenentzündungen.

Tipp: Nehmen Sie zum Zahnarztbesuch immer auch den aktuellen Medikamentenplan mit. Viele Arzneimittel wirken sich auf die Mundgesundheit oder die Behandlung aus – und so kann der Zahnarzt mögliche Risiken frühzeitig erkennen und besser beraten.

Vorsorgeuntersuchung und Prophylaxe

Regelmäßige Zahnarztbesuche und professionelle Prophylaxe helfen, schwerwiegende Zahnerkrankungen und Schmerzen zu verhindern.

Pflegebedürftige Menschen haben sogar Anspruch auf zusätzliche Leistungen. Gesetzlich Versicherte mit Pflegegrad erhalten – ähnlich wie Kinder – erweiterte Prophylaxe Maßnahmen, z.B.:

zweimal jährlich Entfernung von Zahnstein
Dokumentation des Mundpflegestatus

Die Informationen zum Mundpflegestatus können an den ambulanten Pflegedienst weitergegeben werden, um die tägliche Mundpflege besser zu unterstützen.

Außerdem erhalten Pflegebedürftige und Angehörige bei den Kontrollterminen praktische Anleitung und Motivation, wie Zähne und Prothesen richtig gereinigt werden und welche Hilfsmittel – etwa spezielle Bürsten oder Griffe – geeignet sind. Hierbei können auch Themen wie Mundtrockenheit besprochen werden.

Wie können Angehörige das Thema Zähne behutsam ansprechen?

Auch wenn die gepflegte Person sich selbst nicht dazu äußert, können Pflegende sensibel das Thema ansprechen und vielleicht auch mit Einverständnis und Einfühlungsvermögen der betroffenen Person regelmäßig den Mund kontrollieren und nachfragen: „Schmerzt oder drückt etwas“? Die Untersuchungen fürs Bonusheft bieten pflegenden Angehörigen eine gute Möglichkeit, das Thema Zahnarztbesuch ins Gespräch zu bringen.

Zahnarztbesuch im Pflegeheim

Und wer nicht mehr zu Hause gepflegt wird, sondern in einem Heim lebt, der freut sich über den Zahnarztbesuch direkt im Pflegeheim. In vielen Regionen gibt es Kooperationen zwischen Zahnärzten und Pflegeheimen, um regelmäßige Kontrolluntersuchungen für die Bewohner:Innen auch vor Ort anzubieten.

Tipp: Sprechen Sie Ihren Zahnarzt oder das Personal im Pflegeheim einfach an und fragen Sie nach, wie die pflegebedürftige Person regelmäßig zahnärztlich versorgt werden kann. Es gibt dafür immer eine Lösung!

Rechtliche Grundlagen

§ 22a SGB V trifft Regelungen zur Verhütung von Zahnerkrankungen bei Pflegebedürftigen und Menschen mit Behinderungen. Pflegebedürftige (nach § 15 SGB XI) und Leistungsberechtigte von Eingliederungshilfe (nach § 99 SGB IX) haben Anspruch auf zusätzliche zahnärztliche Leistungen zur Verhütung von Zahnerkrankungen. Die Leistungen umfassen insbesondere:

Erhebung eines Mundgesundheitsstatus,
Aufklärung über die Bedeutung der Mundhygiene und über Maßnahmen zu deren Erhaltung
Erstellung eines Planes zur individuellen Mund- und Prothesenpflege sowie
Entfernung harter Zahnbeläge.

Pflegepersonen sollen in die Aufklärung und Planerstellung einbezogen werden!