Foto: Alte Frau schaut ihren dementen Ehemann an
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Frage des Monats - Oktober 2023

Darf ein Mensch mit Demenz eine rechtsgültige Vollmacht ausstellen?

  • Für eine rechtliche Vertretung bedarf es einer Vorsorgevollmacht.
  • Auch Menschen mit Demenz können Vollmachten erteilen.
  • Die dazu notwendige Geschäftsfähigkeit wird ärztlich festgestellt.
  • Ohne Vollmacht wird vom Betreuungsgericht ein/e rechtliche/r Betreuer:in bestellt.
  • Im Austausch bleiben: Besprechen Sie gemeinsam, wann welche Aufgaben übernommen werden.
Portrait eines freundlich lächelnden Mannes mittleren Alters im Freien.

Mein Schwiegervater hat eine anfängliche Demenz. Deshalb unterstützen wir ihn bei einigen Angelegenheiten, wie zum Beispiel beim Schriftverkehr mit der Pflegekasse. Es gibt aber noch keine Vorsorgevollmacht. Darf jemand mit Demenz überhaupt eine Vorsorgevollmacht ausstellen? Und ab welchem Zeitpunkt soll ich ihn vertreten?"

Viktor Z. aus Jülich

 


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Darum geht's

Eine Demenz schränkt die Denk-, Handlungs- und Entscheidungsfähigkeit zunehmend ein. Menschen mit Demenz brauchen deshalb Hilfe, z.B. für Entscheidungen über ihre medizinische Behandlung, Geldgeschäfte oder Behördenangelegenheiten. Oft übernehmen nahe Angehörige diese Aufgaben. Um eine Person rechtswirksam vertreten und in deren Namen handeln und entscheiden zu dürfen, bedarf es einer Vorsorgevollmacht oder einer gesetzlichen Betreuung. Mit einer Vorsorgevollmacht kann man eine vertraute Person als Vertreter:in einsetzen, damit diese die eigenen Interessen wahrnimmt. Es stellt sich die Frage, ob ein bereits an Demenz erkrankter Mensch überhaupt noch eine solche Vorsorgevollmacht unterschreiben darf. Und ab wann eine Geschäftsunfähigkeit wirklich vorliegt und die Vorsorgevollmacht eingesetzt werden sollte.


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Gesetzliche Grundlage

Grundsätzlich ist jeder Mensch über 18 Jahre geschäftsfähig. § 104 Nr.2 BGB regelt den Begriff der Geschäftsunfähigkeit. Danach sind Menschen, deren Geisteszustand dauerhaft beeinträchtigt ist, nicht mehr geschäftsfähig. Eine rechtswirksame Vorsorgevollmacht setzt jedoch voraus, dass der Vollmachtgeber oder die Vollmachtgeberin bei der Beurkundung geschäftsfähig war (§ 105 Abs. 2 BGB).

Der Bundesgerichtshof hat entschieden (XII ZB 106/20), dass es zur Ausstellung einer Vorsorgevollmacht ausreichend ist, wenn der Vollmachtgeber teilweise geschäftsfähig ist, also noch erfassen kann, welche Auswirkungen das Ausstellen einer Vollmacht hat.

Existiert keine rechtswirksame Vorsorge-Vollmacht, regeln die §§ 1814 und 1815 BGB die Voraussetzungen und Aufgabenbereiche einer rechtlichen Betreuung.


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Das sagt der Pflegewegweiser

Grundsätzlich gilt: anders als oftmals vermutet dürfen Familienmitglieder oder nahestehende Personen nicht automatisch ihre Angehörigen in wichtigen Belangen vertreten. Das geht nur, wenn eine Vorsorgevollmacht vorliegt. Ohne Vorsorgevollmacht setzt das Amtsgericht eine gesetzliche Betreuerin oder einen gesetzlichen Betreuer ein. Das muss nicht zwingend ein Familienmitglied oder eine Vertrauensperson sein muss, das Gericht kann auch einen Berufsbetreuer zum zuständigen Betreuer bestimmen.

Wer an Demenz erkrankt ist, kann besonders im Anfangsstadium noch (teilweise) geschäftsfähig sein und damit eine Vorsorgevollmacht erteilen. Die Person muss ihren Willen erklären, die Folgen absehen und die Tragweite der getroffenen rechtlichen Vertretung einschätzen können. Ein (Fach-)Arzt oder eine Ärztin überprüft und bescheinigt, dass sich der Betroffene seiner Entscheidung vollends bewusst ist (siehe Experteninterview unten).

+Tipp: Wir empfehlen eine notarielle Beurkundung der Vollmacht, um später Streitigkeiten zu vermeiden.

 

+++ Neu +++

Liegt keine Vorsorgevollmacht vor, gilt im akuten Notfall das seit 01.01.2023 gültige Ehegattennotvertretungsrecht (§ 1358 BGB). Eheleute und eingetragene Lebenspartner:innen können sich in gesundheitlichen Fragen auch ohne Vollmacht oder rechtliche Betreuung vertreten, wenn der/die Andere aufgrund von Krankheit oder Unfall selbst keine Entscheidungen mehr treffen kann. Eine ärztliche Bescheinigung muss dies bestätigen. Diese Vertretungsregelung ist zeitlich begrenzt auf sechs Monate.

 

+Tipp: Beratung finden Sie bei Betreuungsstellen und -vereinen oder Demenzberatungsstellen, zu finden in unserer Pflegedatenbank .


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Expertenmeinung

Gabriela Wolpers, Fachstelle Demenz, Caritas Verband Kreis Mettmann

Eine Vorsorgevollmacht bei Demenz ist ein sehr individuelles Thema. Ab wann genau eine demenzkranke Person nicht mehr geschäftsfähig ist, lässt sich nur schwer sagen. Da lässt sich keine klare Grenze ziehen. Vielmehr hängt es immer vom individuellen Einzelfall ab – von der betroffenen Person selbst, ihrem Krankheitsverlauf und der Art der Unterstützung und Hilfe, die sie bekommt.

Der behandelnde Arzt oder die Ärztin kann durch Fragen zur örtlichen und zeitlichen Orientierung und dem Erinnerungsvermögen Hinweise finden, die auf eine Einschränkung der Geschäftsfähigkeit hindeuten können. Eine verlässlichere Einschätzung und ggf. Diagnose erstellen Fachärzt:innen für Neurologie und Psychiatrie durch aufwändigere Testungen.

 !Wichtig: Klären Sie die Geschäftsfähigkeit unbedingt (fach-)ärztlich ab und dokumentieren Sie die Einschätzung oder Diagnose, damit die Vorsorgevollmacht gültig ist und es im Nachhinein keine Zweifel gibt.

 

Auch die Frage, ab wann der/die Bevollmächtigte die Vorsorgevollmacht nutzen soll, um den demenzkranken Menschen zu vertreten, ist sehr individuell und kann für die verschiedenen Aufgabenbereiche variieren. So kann es sein, dass jemand zwar keine Banküberweisung mehr tätigen kann, aber durchaus noch in der Lage ist die Rechnungen inhaltlich zu prüfen.

+Tipp: Bleiben Sie mit der betroffenen Person geduldig im Austausch und sprechen Sie sich bezüglich der verschiedenen Aufgaben ab. Erkundigen Sie sich nach den Vorstellungen und Wünschen der demenzkranken Person. Fragen Sie, was sie noch alleine machen kann und wobei Sie konkret helfen und was Sie übernehmen sollen.


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