Kalender und Sanduhr
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Frage des Monats - September '23

Begutachtungstermin wegen Krankheit abgesagt – gelten gesetzliche Fristen weiterhin?

  • Bei der erstmaligen Beantragung eines  Pflegegrades gelten gesetzliche Fristen für die Begutachtung und den Erhalt eines Bescheids
  • Ab dem 01.10.2023 gesetzlich geregelt: Bei einer Terminabsage z.B. im Krankheitsfall gelten die Fristen als unterbrochen
  • Bedeutet: Endet die Unterbrechung, laufen die Fristen weiter und der Bescheid muss innerhalb der verbliebenen Frist erfolgen
Frau mit Brille und buntem Hintergrund

Wir haben einen Pflegegrad für meine Mutter beantragt. Den Termin für die Begutachtung durch den Medizinischen Dienst mussten wir wegen akuter Krankheit absagen. Jetzt warten wir seit vielen Wochen auf einen neuen Termin. Wenn wir nachfragen, heißt es am Telefon, dass wir auf der Warteliste stehen. Es gibt doch aber Fristen, die eingehalten werden müssen?"

Ingrid P. aus Bottrop

 

Icon Frage

Darum geht es

Wurde bei der Pflegekasse ein Erstantrag auf Pflegeleistungen gestellt, beauftragt diese den Medizinischen Dienst (MD), oder bei privat Versicherten Medicproof, für eine Begutachtung. Dazu wird ein Termin schriftlich mitgeteilt. Die Begutachtung und damit die Einstufung in einen Pflegegrad ist Voraussetzung dafür, dass Betroffene Unterstützungsleistungen, wie z.B. einen Pflegedienst, in Anspruch nehmen können.
Den Antrag müssen die Pflegekassen innerhalb bestimmter gesetzlich geregelter Fristen bearbeiten. Außerdem ist ebenfalls gesetzlich geregelt bis wann ein Termin für eine Begutachtung mitgeteilt werden muss. Wenn der Termin zur Begutachtung von Seiten der antragstellenden Person abgesagt oder verschoben wird, kommt es in der Praxis bisher mitunter zu wochen- oder monatelangen Wartezeiten für einen Ersatztermin für die Begutachtung durch den Medizinischen Dienst.

Unklar ist vielen, was mit den eigentlichen Fristen in diesem Fall passiert: Sind sie aufgehoben, unterbrochen oder bleiben sie eigentlich bestehen?


 

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Gesetzliche Grundlage

Die Fristen zur Feststellung einer Pflegebedürftigkeit und den Eingang eines Bescheids durch die Pflegekasse sind geregelt in § 18 Abs. 3 SGB XI: Für einen Erstantrag für einen Pflegegrad, muss die Pflegekasse binnen 25 Arbeitstagen nach Antragsstellung ihre Entscheidung in einem schriftlichen Bescheid mitteilen. Hält die Pflegekasse die Fristen nicht ein, muss sie für jede begonnene Woche der Fristüberschreitung 70 € an den Antragssteller zahlen.

Nach §18 Abs. 3b SGB XI gilt dies jedoch nicht, wenn

  • die Pflegekasse die Verzögerung nicht zu verschulden hat oder
  • wenn sich der oder die Antragsteller:In in vollstationärer Pflege befindet und bereits mindestens Pflegegrad 2 vorliegt.

 

+++ NEU +++  

Im Rahmen des Pflegeunterstützungs- und Entlastungsgesetzes (kurz PUEG), gilt ab dem 01.10.2023, dass die Frist unterbrochen ist, wenn die Pflegekasse den Verzögerungsgrund nicht zu vertreten hat. Das bedeutet, dass nach der Unterbrechung die begonnene Frist weiterläuft (§18c Abs. 5 SGB XI).   

 


 

Logo Pflegewegweiser Doppelherz

Das sagt der Pflegewegweiser

Bisher war unklar, was mit der Frist passiert, wenn die antragstellende Person einen Termin absagt - eine gesetzliche Regelung dazu gab es bisher nicht. Bisher wird es so gehandhabt, dass nach einem abgesagten Termin der Name auf einer Warteliste notiert und entsprechend abgearbeitet wird. Damit kommt und kam es in vielen Fällen zu sehr langen Wartezeiten.

Das ändert sich jedoch ab Oktober 2023: Das Pflegeunterstützungs- und Entlastungsgesetzt, kurz PUEG, regelt ab 01.10.2023 klar, dass z.B. ein Krankenhausaufenthalt die Frist lediglich unterbricht. Die Frist wird für die Dauer des Verzögerungsgrundes, z.B. einem Krankenhausaufenthalt oder einer Krankheit, ausgesetzt und läuft anschließend weiter. Bedeutet, die Anzahl der verbliebenen Tage der Frist – insgesamt 20 Arbeitstage bis zur Begutachtung – zählen nach dem Ende der Unterbrechung weiter und ein neuer Termin wird innerhalb der verbliebenen Zeit mitgeteilt.

Hält die Pflegekasse die Fristen nicht ein, stehen der antragstellenden Person 70 € pro Woche zu.

Empfehlenswert für eine Klärung des eigenen Falls ist eine Pflegerechtsberatung.


 

Icon Experte

Expertenmeinung

Norbert Zielonka, stellvertretender Vorsitzender des VdK Düsseldorf

Grundsätzlich gilt: Als antragstellende Person von Sozialleistungen unterliegen Sie prinzipiell einer Mitwirkungspflicht. Das bedeutet auch, dass Sie einem Termin für ein Gutachten unbedingt Vorrang gegenüber anderen (verschiebbaren) Terminen geben müssen. So ist gewährleistet, dass der Medizinische Dienst (MD) zeitnah ein Gutachten erstellen und Sie ggf. einen Pflegegrad bekommen können.

Natürlicherweise passieren unvorhersehbare Ereignisse, wie eine akute Erkrankung oder ein Krankenhausaufenthalt, oder der Begutachtungstermin überschneidet sich mit einem anderen sehr wichtigen Termin.
Beachten Sie: In diesem Fall verantwortet nicht die Pflegekasse oder der Medizinische Dienst die Verzögerung bzw. Fristüberschreitung, sondern die antragstellende Person.
Hat die antragstellende Person die Verzögerung zu vertreten, ist es immer empfehlenswert im Austausch zu bleiben: Wieso musste der Termin abgesagt werden? Das kann vom  MD berücksichtigt werden. Eine gesetzliche Regelung, wie schnell ein neuer Termin genannt werden muss, gab es bisher nicht. Darum sind lange Wartezeiten und der Gebrauch von Wartelisten üblich.

Mit der neuen Regelung ab dem 01.10.2023 ist klar, dass in besonderen Fällen, wie Krankheit oder gar Krankenhausaufenthalt, es zu einer Unterbrechung der Frist kommt und neue Termine im Anschluss zeitnah, im Rahmen der verbliebenen Frist, vergeben werden müssen.
Damit nun aber die Frist zukünftig nicht aufgehoben, sondern lediglich unterbrochen wird, ist es in Ihrem eigenen Interesse wichtig, dass Sie die Gründe für die Terminabsage so früh wie möglich, nachvollziehbar und schriftlich per Brief oder E-Mail dem MD mitteilen. Dazu können Sie auch die Absage-Formulare des Medizinischen Dienstes nutzen.
Gründe für eine Fristunterbrechung und was Sie in diesem Fall tun können, sind:

  • Akute Erkrankung: hilfreich ist ein Attest des behandelnden (Haus-)Arztes oder eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, wenn Sie als antragstellende Person noch erwerbstätig sind.
  • Krankenhausaufenthalt oder Rehabilitationsmaßnahme: Legen Sie die Einweisung schnellstmöglich nach Erhalt dem MD vor und teilen Sie umgehend mit, wenn eine Verlängerung des Aufenthaltes absehbar ist.

+Tipp: Hier empfiehlt sich immer der Kontakt zum Sozialdienst eines Krankenhauses oder der Rehabilitationseinrichtung, um ein Gutachten innerhalb von 7 Tagen zu bewirken. Damit stellen Sie die weitere Versorgung im Rahmen eines Entlassmanagements sicher.

  • Wichtige Untersuchungen oder Therapien (z.B. MRT, Chemotherapie oder Dialysen): wenn klar ist, dass diese dringend notwendig sind und nicht verschoben werden können. Legen Sie auch hier im besten Fall dem MD Nachweise vor.

Ist eine Begutachtung Ihrerseits wieder möglich, teilen Sie auch das dem MD  schnellstmöglich schriftlich mit. Hilfreich ist eine schriftliche Bestätigung von dem MD einzufordern, aus der hervorgeht, wann die Frist unterbrochen wurde und wieder beginnt. Damit kann für beide Seiten nachvollzogen werden, wann die Unterbrechung begonnen hat und wieder endet, oder ob ggf. im Weiteren eine Fristüberschreitung seitens des MD/der Pflegekasse stattgefunden hat oder nicht.

Kommt es nachweislich zu einer Fristüberschreitung seitens der Pflegekasse (/MD), haben Sie Anspruch auf 70 Euro pro Woche, in der die Frist überschritten wird. Hierbei unterstützt Sie eine Pflegerechtsberatung.

Info:

Eine verkürzte Frist von 7 Tagen für die Begutachtung gilt, wenn  

  1. sich die antragstellende Person im Krankenhaus, einer Reha-Einrichtung oder in einem Hospiz befindet oder
  2. ambulant palliativ versorgt wird und eine Begutachtung zur Sicherstellung der Weiterversorgung erforderlich ist oder
  3. die Pflegeperson Pflege- oder Familienpflegezeit nehmen will.

 

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