Seit dem Tod meines Mannes kümmert sich meine Schwiegertochter hingebungsvoll um mich. Sie hilft mir im Haushalt, bei Erledigungen, kauft für mich ein und bringt mir Essen. Für die Pflege kommt der Pflegedienst. Jetzt sagt die Pflegekasse aber, dass ich meiner Schwiegertochter den Entlastungsbetrag nicht geben darf, weil sie zu nah mit mir verwandt bzw. verschwägert ist? Das finde ich ungerecht."
Beate K. aus Viersen
Darum geht's
Oft werden Pflegebedürftige von der Familie oder nahen Verwandten im Alltag unterstützt. Die Tochter, der Sohn, Schwieger- oder Enkelkinder übernehmen die Betreuung oder helfen im Haushalt. Dafür möchten sich Pflegebedürftige gerne erkenntlich zeigen und den Entlastungsbetrag als kleine Gegenleistung an ihre Angehörigen geben. Dies ist jedoch so nicht vorgesehen, da der Betrag für qualitätsgesicherte Angebote und zur Entlastung naher Angehöriger genutzt werden soll.
Rechtliche Grundlagen
Ab Pflegegrad 1 haben Pflegebedürftige, die zu Hause gepflegt werden, Anspruch auf den Entlastungsbetrag (§ 45b SGB XI) in Höhe von 125 € pro Monat. Er kann abgerechnet werden für qualitätsgesicherte Leistungen, die
- pflegende Zu- und Angehörige entlasten und/oder
- die Selbständigkeit und Selbstbestimmtheit Pflegebedürftiger in ihrem Alltag fördern.
Der Entlastungsbetrag kann eingesetzt werden für
- Tagespflege oder Kurzzeitpflege,
- bestimmte Leistungen ambulanter Pflegedienste,
- nach Landesrecht qualifizierte Angebote zur Unterstützung im Alltag (§ 45b Abs. 1 SGB XI) wie Haushaltshilfen oder Betreuungsangebote.
Zu den sogenannten Angeboten zur Unterstützung im Alltag gehört auch die Nachbarschaftshilfe. Diese kann auch von Nicht-Fachkräften geleistet werden. Allerdings darf die Nachbarschaftshelferin / der Nachbarschaftshelfer nicht mit der pflegebedürftigen Person bis zum zweiten Grad verwandt oder verschwägert sein und auch nicht mit ihr in einer häuslichen Gemeinschaft leben (§ 11 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AnFöVO).
Die Begriffe „Verwandtschaft“ (§ 1589 BGB) und „Schwägerschaft“ (§ 1590 BGB) sind im Bürgerlichen Gesetzbuch definiert.
Das sagt der Pflegewegweiser NRW
Die Nutzung des Entlastungsbetrags für nahe Angehörige, die in die häusliche Pflege eingebunden sind, ist nicht möglich. Es wird streng nach dem Verwandtschaftsgrad unterschieden. Verwandtschaftsgrade beschreiben die „Nähe“ von Personen zueinander. Dabei spielt die Anzahl der Geburten eine Rolle, die zwei Personen voneinander trennen:
Verwandte ersten Grades: Eltern und Kinder (nur eine Geburt liegt zwischen ihnen, die Geburt des Kindes).
Verwandte zweiten Grades: Großeltern und Enkel oder auch Geschwister untereinander (zwei Geburten liegen zwischen ihnen, z.B. die eigene Geburt und die Geburt des Bruders oder der Schwester).
Verwandte dritten Grades: z.B. Onkel, Tante (es liegen drei Geburten zwischen einer Person und ihrem Onkel).
Es gibt zudem die rechtliche Verwandtschaft. So ist ein Adoptivkind einem leiblichen Kind gleichgestellt. Die sogenannte Schwägerschaft besteht mit den Verwandten des Ehepartners bzw. der Ehepartnerin. Eine Schwägerschaft dauert fort, auch wenn die Ehe aufgelöst wurde. Verschwägert sind auch Stief-Eltern, Stief-Kinder und Stief-Enkelkinder.
Ehegatten sind nicht miteinander verwandt. Sie leben in der Regel in einer häuslichen Gemeinschaft mit der pflegebedürftigen Person zusammen und sind oft die Hauptpflegeperson.
Info:
Angehörige, die mit der pflegebedürftigen Person bis zum zweiten Grad verwandt oder verschwägert sind, dürfen den Entlastungsbetrag nicht abrechnen:
1. Grad: Eltern (Mutter, Vater), Kinder (Tochter, Sohn), Adoptivkind/-eltern
2. Grad: Geschwister (Bruder, Schwester), Großeltern (Großmutter, Großvater), Enkelkinder (Enkeltochter, Enkelsohn)
Den Entlastungsbetrag abrechnen dürfen demnach Verwandte 3. Grades (Tante, Onkel, Nichte, Neffe, Urgroßeltern /-kinder), des 4. Grades (Cousin, Cousine, Großtante /-onkel, Großnichte /-neffe) und noch entferntere Verwandte / Verschwägerte.
!Wichtig:
Angesparte Entlastungsbeträge aus dem Jahr 2023 können noch bis zum 30.06.2024 verwendet werden! Nutzen Sie die Monate Mai und Juni, um Alltagshilfe in Anspruch zu nehmen und über den aufgesparten Entlastungsbetrag abzurechnen.
Nachbarschaftshilfe kann erbracht werden von Verwandten ab dem dritten Verwandtschaftsgrad oder Nachbarn, Freunden, Bekannten.
Expertinnenmeinung
Nina Lauterbach-Dannenberg, Kuratorium Deutsche Altershilfe in Berlin
Laut Gesetz haben Angebote zur Unterstützung im Alltag vor allem das Ziel, Pflegepersonen in der häuslichen Pflege zu entlasten. Mit dem Entlastungsbetrag können genau solche Angebote finanziert werden. Meist sind es nahe Familienangehörige wie die Ehegatten, (Schwieger-)Kinder oder Enkelkinder, die stark in die Pflege und Unterstützung eingebunden und dadurch hohen Belastungen ausgesetzt sind. Gerade sie als (Mit-)Pflegende sollen Unterstützung bei der Bewältigung des Pflegealltags durch Dritte, meist nicht-familiäre Personen, erhalten. Bekämen die Pflegenden selbst den Entlastungsbetrag für Ihre Hilfen, widerspräche das dem Grundgedanken, diese hochbelastete Personengruppe zu schützen.
+Tipp: Das Pflegegeld kann als Dank für geleistete Hilfe an pflegende Zu- und Angehörige gezahlt werden.
Geeignete Angebote durch Dritte können betreuerische oder organisatorische Hilfen sein, z.B. eine Betreuungsgruppe, eine Haushaltshilfe oder eine Alltagsbegleitung. So werden Freiräume und Auszeiten für die Pflegepersonen geschaffen. Es ist wichtig, Entlastungsangebote frühzeitig und regelmäßig zu nutzen - dann können sie am besten und vorbeugend wirken. Es mag vielleicht schwer fallen, fremde Hilfe in das Familiensystem zu holen. Aber wenn Aufgaben und Hilfen auf verschiedene Füße gestellt werden, profitieren meist beide Seiten davon - Angehörige und Pflegebedürftige.
! Hinweis: Im Angebotsfinder NRW finden Sie Unterstützungsangebote im Alltag, die mit dem Entlastungsbetrag bezahlt werden können. Manchmal kann auch eine Pflegebegleitung, die sich explizit an pflegende Angehörige richtet, eine hilfreiche Stütze sein für stärkende Gespräche oder die Übernahme von organisatorischen Aufgaben (z.B. Anträge für Pflegeleistungen stellen).
In der Pflegeselbsthilfe finden pflegende Angehörige die Möglichkeit zum Austausch unter Gleichbetroffenen und ein offenes Ohr für die eigenen Belange und Bedürfnisse.