Bild: Kinder rufen Rettungsdienst, wegen ohnmächtiger Oma
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Frage des Monats - August

Pflegenotfall – wann bekomme ich Pflegeunterstützungsgeld?

  • Ein naher Angehöriger wird akut pflegebedürftig
  • Anspruch auf kurzzeitige Freistellung von der Arbeit bis max. 10 Tage
  • plus Anspruch auf Pflegeunterstützungsgeld
  • Informieren Sie sich in den örtlichen Pflegeberatungsstellen
Foto Portrait Frau Beate Schubert, 61 Jahre alt

Meine Mutter (83 Jahre) ist Anfang des Jahres schwer gestürzt und seither pflegebedürftig. Damals habe ich mir 5 Tage von der Arbeit frei genommen, um die Pflege Zuhause zu organisieren. Von der Pflegekasse habe ich Lohnersatz bekommen. Jetzt schaffe ich das mit der Pflege aber nicht mehr alleine und ich suche verzweifelt nach einem Heimplatz für sie. Für die ganze Telefoniererei und Bürokratie will ich nochmal 5 Tage Pflegeauszeit nehmen. Ich habe die Pflegekasse angerufen, aber diesmal will sie mir keine Lohnersatzleistung zahlen. Warum nicht?"

Beate Schubert, 61 Jahre

Icon Frage

Darum geht es

Pflegebedürftigkeit entsteht oft ganz plötzlich. Ein Sturz, ein Unfall oder ein Schlaganfall – von einer Minute auf die andere sind Menschen auf ärztliche Hilfe und pflegerische Versorgung angewiesen. Nach einem Klinik-Aufenthalt müssen Angehörige kurzfristig eine häusliche Pflege oder die Unterbringung in einem Pflegeheim organisieren. Berufstätige Angehörige fragen sich dann: Wie schaffe ich es, das alles zu organisieren? Gibt es so etwas wie kurzfristigen Sonderurlaub für pflegende Angehörige? Wer bezahlt mir meinen Lohnausfall? In einer solchen Akutsituation steht Ihnen sowohl eine Befreiung von der Arbeit als auch ein Lohnausgleich durch die Pflegeversicherung zu. Wir klären, an welche Voraussetzungen die Ansprüche jeweils geknüpft sind und warum Pflegeunterstützungsgeld regelhaft nur einmal ausgezahlt wird.


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Rechtliche Grundlage

Die §§2 und 7 Pflegezeitgesetz (PflegeZG) begründen den Anspruch der Beschäftigten auf die kurzzeitige Arbeitsverhinderung gegenüber dem Arbeitgeber, die Voraussetzungen sowie ggf. die Fortzahlung der Vergütung.

§44a (3) SGB XI definiert den zusätzlichen Anspruch auf einen Ausgleich für entgangenes Arbeitsentgelt gegenüber der Pflegeversicherung (Pflegeunterstützungsgeld).

§ 14 SGB XI definiert den Begriff der Pflegebedürftigkeit im Sinne des Sozialgesetzbuches 11.


Logo Pflegewegweiser Doppelherz

Das sagt der Pflegewegweiser

Beschäftigte haben das Recht, in einer akut aufgetretenen Pflegesituation der Arbeit kurzfristig bis zu 10 Tagen fernzubleiben, um einen Angehörigen zu pflegen oder eine Pflege zu organisieren. Dazu müssen folgende Voraussetzungen vorliegen:

  • es gibt ein Beschäftigungsverhältnis (Arbeitnehmer, Auszubildende, Heimarbeiter)
  • es handelt sich um einen nahen Angehörigen (z. B. Eltern, Eheleute, Kinder)
  • der/die Angehörige ist (voraussichtlich) pflegebedürftig
  • die Pflegesituation muss plötzlich und unerwartet eingetreten sein
  • die Pflege muss vom Beschäftigten organisiert werden oder er pflegt selbst.

Was gilt als „akute Pflegesituation“?

  • Die Pflegebedürftigkeit tritt plötzlich ein
  • Die Versorgung nach einem Krankenhausaufenthalt muss gesichert werden
  • Die Pflegebedürftigkeit verschlechtert sich plötzlich

Was gilt nicht als „akute Pflegesituation“?

  • Ein Angehöriger schafft die Pflege selbst nicht mehr und sucht ein Pflegeheim
  • Die stationäre Pflegeeinrichtung wird gewechselt
  • Die Pflegekraft fällt unerwartet aus (Verhinderungspflege)
  • Die pflegebedürftige Person erkrankt oder muss zum Arzt

 

Beschäftigte haben ihrem Arbeitgeber unverzüglich mitzuteilen, ab wann und für welche Zeit sie voraussichtlich der Arbeit fernbleiben. Auch der Name des Angehörigen muss angegeben werden. Ein ärztliches Attest ist zwar nur auf Anforderung des Arbeitgebers einzureichen, wird aber später für die Pflegekasse benötigt. Teilen sich mehrere Pflegepersonen die Versorgung, können die insgesamt bis zu 10 Arbeitstage auch auf mehrere Personen verteilt werden.

Wird der Lohn während dieser Zeit nicht vom Arbeitgeber weitergezahlt, können Angehörige Pflegeunterstützungsgeld (PUG) von der Pflegeversicherung bekommen. Dies beträgt in der Regel 90 Prozent vom Nettolohn. Pflegeunterstützungsgeld gibt es für gesetzlich und privat Versicherte, es muss jedoch beantragt werden.

+Tipp: Die Pflegekassen verlangen in der Regel ein ärztliches Attest und bieten Vordrucke dazu an. Die Kassen verzichten dann auf ein ärztliches Attest, wenn aus den vorhandenen Unterlagen ersichtlich wird, dass eine akute Pflegesituation vorliegt und für welchen Zeitraum.


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Expertenmeinung

Sarah Görtz, AOK Rheinland/Hamburg

Grundsätzlich geht der Gesetzgeber davon aus, dass eine akute Pflegesituation nur einmalig auftritt, also bei Eintritt von Pflegebedürftigkeit. Deshalb kann der Anspruch auf Pflegeunterstützungsgeld nicht auf mehrere (Teil-)Zeiträume verteilt werden. Das wird der Grund sein, warum die Pflegekasse im Fall von Frau Schubert das PUG nicht gewährt hat.

Teilzeitbeschäftigte, die nur an bestimmten Wochentagen arbeiten, haben ebenfalls einen Anspruch auf 10 Tage Arbeitsbefreiung. Dies wäre z. B. bei 3 Arbeitstagen in der Woche dann 3 Wochen plus 1 Arbeitstag.

Das PUG wird von der Pflegekasse oder der privaten Pflegeversicherung des gepflegten Angehörigen gezahlt und ist dort zu beantragen. Um Pflegeunterstützungsgeld zu erhalten, müssen Sie folgende Formulare vorlegen:

  • von Ihnen ausgefüllter Antrag auf Pflegeunterstützungsgeld
  • ärztliche Bescheinigung, die den Hilfebedarf sowie die akute Notsituation des Pflegebedürftigen bestätigen
  • Verdienstausfallbescheinigung Ihres Arbeitsgebers
     

+Tipp: Beantragen Sie das Pflegeunterstützungsgeld so schnell wie möglich bei der Pflegeversicherung Ihres Angehörigen. Diese berät und unterstützt beim Ausfüllen des Antrags. Bitte klären Sie vorher mit der Pflegekasse ab, ob ein Anspruch auf PUG besteht. Nicht dass es zu einem Verdienstausfall kommt, der nachher nicht "ersetzt" wird. Beratung finden Sie auch in Ihren örtlichen Pflegeberatungsstellen oder Pflegestützpunkten.

 

+Hinweis: Das neue Pflegeunterstützungs- und entlastungsgesetz (PUEG) sieht vor, dass das Pflegeunterstützungsgeld in Zukunft keine einmalige Leistung mehr sein soll, sondern ab 2024 jährlich pro pflegebedürftiger Person geltend gemacht werden kann.

 


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